12. Oktober 2006 | General-Anzeiger-Bericht Sorgen bei Feuerwehren

Ehrenamt: Personalengpässe der Brandbekämpfer bereiten auch im Siebengebirge Sorgen. Der Trend, dass Arbeitgeber Mitarbeiter ungern freistellen, ist erkennbar. Auszeichnungen für „Partner der Feuerwehr“

Von Uta Effern-Salhoub

Siebengebirge „Früher haben viele im Dorf gearbeitet“, sagt der Linzer Wehrführer Horst Piovesan. Bei Sirenengeheul waren Bäcker und Bauer, Schuster und Schreiner zur Stelle. Die Männer ließen alles stehen und liegen und waren im Nu um die Ecke im Feuerwehreinsatz. Anders heute: Piovesans 230 Wehrleute wohnen in Linz und Umgebung, manche pendeln aber bis Bonn, Köln, Neuwied, Koblenz oder sogar Düsseldorf zur Arbeit. Daher sind sie tagsüber nicht mal schnell zurück, um etwa in Ockenfels einen Dachstuhlbrand zu bekämpfen.

Doch nicht nur die Entfernung zwischen Wohn- und Arbeitsplatz wird für die Wehren im Siebengebirge und am Rhein zunehmend zum Problem. Wirtschaftslage und Toleranz der Arbeitgeber erschweren vielfach die Ausübung des Ehrenamtes. Damit haben die regionalen Wehren mit genau jenen Problemen zu kämpfen, die am Dienstag bei einer Umfrage von dpa zur Situation der Wehr in Rheinland-Pfalz zutage traten.

„Ortsansässige Mittelständler haben eher Verständnis für das System der Freiwilligen Feuerwehr als große Unternehmen und Konzerne“, sagt der Pressesprecher der Königswinterer Feuerwehr, Lutz Schumacher. Seine Kollegen -310 aktive Wehrleute zwischen 18 und 60 Jahren sind zurzeit in 8 Einheiten aktiv – haben in der Tat oft Schwierigkeiten, vom Arbeitgeber zu Führungslehrgängen freigestellt zu werden. Zum Beispiel am Institut der Feuerwehr in NRW über ein oder zwei Wochen. Manche Wehrleute bitten aus Sorge um den Job erst gar nicht um die Freistellung.

Derartige Hemmnisse sind auch dem Bad Honnefer Stadtbrandinspektor Johannes Kefferpütz bekannt: „Ich habe da mit einigen Arbeitgebern Probleme, versuche das auf diplomatische Art zu arrangieren. Aber es wird enger.“ Die Personaldecke in den Betrieben ist dünner geworden. Das weiß Kefferpütz (58) als selbstständiger Elektromeister und Sicherheitsfachkraft, zudem Familienvater, aus eigener Erfahrung. Führungskräfte der Wehr wie er stehen vor dem immer schwereren Spagat zwischen Beruf, Familie und Feuerwehr. Die Balance herzustellen, ist nicht immer leicht. Schumacher ergänzt: „Viele Wehrleute müssen mittlerweile auch wieder samstags und abends sehr lange arbeiten“, so dass die Durchführung schon von Lehrgängen zur Grundausbildung immer schwieriger wird.“

Die Kollegen im nördlichen Kreis Neuwied beurteilen die Situation zurzeit noch etwas entspannter. Gleichwohl beobachtet Horst Piovesan aus Linz, dass Arbeitgeber häufiger als früher die Kommunen für ausgefallene Leistungen heranziehen: „Der Lohnausfall wird stärker als früher in Anspruch genommen.“ Hans-Josef Fröhlich, Wehrleiter der VG Unkel, ist in der glücklichen Lage, unter seinen 145 Männern etliche Mitarbeiter der gemeindlichen Bauhöfe zu haben. Er kennt in Rheinbreitbach und Unkel etliche Firmen mit hohem Verständnis fürs Engagement. Und Fröhlich praktiziert, was überall im und am Siebengebirge gang und gäbe ist: die Alarm- und Ausrückeordnung wurde angepasst, Ausrückebereiche zusammengelegt. Damit ist sichergestellt, dass die Tagesverfügbarkeit ausreicht. Nur noch bei Lappalien, wie zugeschlagenen Türen oder Tierunfällen wird eine einzige Löschgruppe alarmiert, sonst in aller Regel zwei.

Falls es beim Personal eines Tages spürbar hapern sollte, könnte die Devise lauten „mehr Hauptamtliche oder mehr Frauen in die Wehr“, überlegt Johannes Kefferpütz für Bad Honnef. Fünf aktive Damen zählt seine Truppe bereits.

In Königswinter begegnet man den Herausforderungen mehrschienig: So wurde das System „Gastlöscher“ eingeführt. Wehrleute stehen sowohl in ihrem Wohn- als auch in ihrem Arbeitsort den Floriansjüngern zur Verfügung. Auch Wehrleute anderer Städte, die in Königswinter arbeiten, erhalten dort Meldeempfänger und Ausrüstung. Die Grundausbildung erfolgt zudem modular: Ausbildungsteile werden mehrfach innerhalb von zwei Jahren angeboten, damit weniger berufliche Hinderungsgründe bestehen. Der Gruppenführer-Lehrgang wurde von drei auf zwei Wochen reduziert. Und: Betriebe, die Wehrleute tagsüber freistellen, werden als Partner der Wehr ausgezeichnet, in Königswinter zum Beispiel die Firma Zera und der Dollendorfer Abschleppdienst Zurstrassen.

Stadtbrandinspektor Michael Bungarz fasst zusammen:“ Die Entwicklung, die in Königswinter wie in anderen Orten zu beobachten ist, macht uns Sorgen. Ob das System der Freiwilligen Feuerwehr in dieser Form auch noch in ein paar Jahren besteht, kann niemand sagen.“ Eins stehe aber fest: Die Sicherheit der Bürger sei jederzeit gewährleistet.

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